Erich Grün: Leben und Wirken

Erich Grün wurde 1915 in einem Internierungslager im sibirischen Pyschminskoje geboren. Dorthin waren seine Eltern - die Mutter Russin, der Vater Nachkomme deutscher Einwanderer - nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges wegen der Deutschstämmigkeit des Vaters von St. Petersburg aus deportiert worden. 1917 floh die Familie in den Wirren der Revolution nach Westen. Der Güterzug wurde 1918 am Tag der Ermordung der Zarenfamilie zunächst festgehalten, später nach Dorpat weitergeleitet. Bis der Vater in Berlin Arbeit und Wohnung fand, lebte die Familie dort bei Verwandten.

Seine Eltern trennten sich, nachdem die drei älteren Geschwister ausgezogen waren. Die Mutter ging zurück in ihre Heimat, Erich blieb beim Vater in Berlin. Bei Moritz Melzer an der Reimann-Schule begann er seine erste Ausbildung, die aber nach zwei Semestern beendet werden musste, weil die Schule, ein jüdisches Privatinstitut, 1933 unter dem Druck der Nationalsozialisten nach England umzog.

Nach Jahren bei der Polizei und der Luftwaffe wurde Erich Grün 1939 zum Kriegsdienst eingezogen. Er war technischer Inspektor in Rumänien und nahm am Russlandfeldzug teil, wurde aber wegen der russischen Staatsangehörigkeit seiner Mutter nach Amsterdam abkommandiert. Nachdem er kurz vor Kriegsende auf tragische Weise seine Familie verlor - seine Frau und alle drei Kinder starben bei einem Bombenangriff in der Nacht vor seinem Fronturlaub - suchte er lebensgefährliche Einsätze und wurde schließlich als Fallschirmjäger über Italien gefangen genommen und von den Engländern nach Malta gebracht.

"Hier ging es mir ungewöhnlich gut, da der Lagerkommandant mein künstlerisches Talent entdeckt hatte. Meine Karikaturen waren geschätzt. Ich bekam Aufträge für Porträts und für Wandgemälde an öffentlichen Gebäuden", berichtete Grün später. Das verdiente Geld habe ihn 1947 zur Flucht ermutigt, die schließlich in einem Motorschlauchboot über Sizilien und Kalabrien sowie später auf dem Landweg über die Alpen gelang.

Nach diesen Wirren fand er in Barsinghausen bei Hannover eine Bleibe bei seiner Schwester. Nach 15jähriger Unterbrechung konnte Erich Grün ab 1948 seine künstlerische Ausbildung an der Werkkunstschule in Hannover mit dem Schwerpunkt "Buchgrafik und Malerei" fortsetzen. Damit legte er den Grundstein für seinen weiteren - auch beruflichen - Werdegang, denn 1957 wurde Grün Kunsterzieher an der Bismarckschule in Hannover, wo er bis zu seiner Pensionierung 1981 unterrichtete. Außerdem hatte er einen Lehrauftrag an der Werkkunstschule.

Bereits während seiner Berufstätigkeit arbeitete Erich Grün in großem Umfang künstlerisch, wofür er sich gemeinsam mit seiner zweiten Frau, Dr. Oda Keitel-Grün, für die wärmere Jahreszeit ein Sommeratelier in einem ehemaligen Stallgebäude in Feuerschützenbostel - mitten im Wald zwischen Celle und Bergen - einrichtete. Im Winter lebte und arbeitete das Ehepaar in Hannover.

Nachhaltigen Einfluss auf die Arbeitsweise Erich Grüns hatte sein Lehrer Erich Rhein an der Werkkunstschule. Dieser vermittelte aleatorische Techniken, die zwar in ihren Anfängen bereits von Max Ernst in den 1920iger Jahren beschrieben wurden, aber erst um 1950 in Frankreich und den USA an Vielfalt gewannen, so dass sie als bestimmender Faktor in die Malerei des Informell eingingen. Er setzte Farbflecke, ließ die Farbe fließen und ineinander laufen, drehte und schwenkte den Bildträger und schaute, wie daraus eine Form entsteht. Er arbeitete mit Wachsstücken auf einer heißen Metallunterlage, bis das Wachs schmolz und sich vermischt. Er liebte Techniken wie die Enkaustik und das Aquarell, wo sich die Farben auf dem nassen und gelegentlich geknitterten Papier verselbständigen und vom Zufall geprägte Formen bilden. Auch durch Betupfen mit Tüchern, Schwämmen und "gefundenem" Material veränderte er die Texturen der Formen.

Zugleich beließ Grün es nicht bei solchen frei entstandenen Formen, er skizzierte seine Wahrnehmungen entstandener Formen in die Arbeiten hinein und benutzte diese Technik, um sie gezielt mit ikonografischen Details aus- und aufzufüllen.

Zahlreiche Ausstellungen und Ehrungen führten ihn neben seiner Arbeit in Deutschland nach Frankreich, Finnland und Schweden. Die Eindrücke aus diesen Reisen, seine Liebe zu den Mythen und seine innere Triebfeder haben ihn immer gedrängt, ja gezwungen, seiner Malleidenschaft mit Besessenheit nachzugehen. Großartige und farbintensive Zyklen sind dabei entstanden, beispielsweise Das Alte und das Neue Testament, der Kalevala-Zyklus oder der Elias-Zyklus.

Erich Grün verstarb am 30. August 2009 in Hannover.

Ingeborg Bloth

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